„Es ist ein ständiges Auf und Ab“ – Ein Jahr Pandemie

Vor ziemlich genau einem Jahr konnten wir eine erste Zwischenbilanz ziehen und fragten unsere Studierenden, wie die Umstellung auf Distance Learning funktioniert hat. Die Umfrage ergab, dass sie damit sehr zufrieden waren. Dennoch war die Zeit nicht immer einfach. Rektorin Kristina Edlinger-Ploder gibt einen positiven Ausblick für die Zukunft. Im Gespräch lässt sie das Jahr Revue passieren und spricht von Herausforderungen, aber auch, was die FH CAMPUS 02 daraus lernen konnte.

 

Wir befinden uns nun seit über einem Jahr mitten in einer Pandemie. Wie haben Sie die Zeit bisher empfunden?

Es ist ein ständiges Auf und Ab. Zu Beginn waren wir alle aufgeregt und wussten nicht, was auf uns zukommt. Obwohl alles ein bisschen hektisch war, waren wir unheimlich stolz darauf, dass wir innerhalb von drei Tagen den gesamten Lehrbetrieb auf online umgestellt haben. Als wir das Sommersemester abgeschlossen haben, haben wir alle daran geglaubt, dass es im Herbst anders sein wird. Als das dann nicht der Fall war, merkte man Ermüdungserscheinungen. Die Sehnsucht nach Nähe ist einfach da: Nach dem Gespräch in einer Pause oder auch nach einer Gruppenvorlesung vor Ort.

 

Was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben?

Die selbstverständlichen Dinge des Alltags wurden manchmal zum Problem. Wir mussten in vielen Bereichen Umdenken. Zum Beispiel wurde uns auf einmal klar, dass unsere Prüfungsordnung überhaupt nicht passt. Privat ist mir als Mutter von zwei erwachsenen Kindern vor allem in Erinnerung geblieben, dass wir viel mehr Kontakt zueinander hatten als vor der Pandemie. Ich glaube, das ist vielen Familien so gegangen.

 

Besondere Zeiten erfordern auch kreative Ideen. Dass die FH CAMPUS 02 davon genug hat, hat sie bei ihrer Drive-In Sponsion bewiesen. Plant man hier noch Weiteres?

Die Drive-In Sponsion war sicher ein Höhepunkt unseres Jahres und hat uns mit viel Freude erfüllt. Daher planen wir im Juni eine weitere Drive-In Sponsion, um den Leuten wirklich einen schönen Tag zu bereiten. Auch das diesjährige Open House war für uns sehr wichtig. Daher haben wir diese virtuelle Reise mit neuen potentiellen Studierenden in einem tollen Umfeld geschaffen, wo jeder individuell virtuell von einer Vorlesung zur anderen durch die FH wandern konnte.

 

Was waren die größten Herausforderungen, die die FH CAMPUS 02 zu meistern hatte?

Die größte Herausforderung war ganz sicher die Unberechenbarkeit, einfach nicht planen zu können. Wir wollten uns auf alles immer bestmöglich vorbereiten und in Wahrheit tappt man immer wieder im Dunkeln und muss für alles drei oder vier Alternativen offenhalten. Am schlimmsten war es für uns, etwas mit viel Mühe zu planen und dann doch absagen zu müssen.

 

Die FH CAMPUS 02 hat sehr schnell auf Online-Lehre umgestellt. Was hat sich dadurch verändert?

Wir haben für alle Mitarbeiter*innen schnellstmöglich Laptops angeschafft und dadurch Home Office ermöglicht. Erfreulich war, dass wir sehr gut vorbereitet waren. Wir haben seit 1. Jänner 2019 das Zentrum für Hochschuldidaktik an unserer FH. Die haben sich damals schon sehr stark mit Online-Lehre und Online-Formaten befasst. Wir konnten also ganz kurzfristig wirklich tolle Fortbildungsangebote anbieten und so die Lehrenden unterstützen.

 

Kann man daher auch nachhaltig von den Investitionen profitieren?

Auf jeden Fall! Wir haben uns mitten in einer Digitalisierungsstrategie bewegt und durch Corona ist vieles, was wir uns vorgenommen haben einfach schneller umgesetzt worden. Wir haben zum Beispiel das Studio für innovative Lehre angeschafft. Dort kann man Green-Screen-Videos erstellen. Außerdem wurde ein Smart Board gekauft, wo Lehrende in einem Setting Lehrvideos erstellen können, das zu Hause mit einem klassischen Laptop einfach nicht möglich wäre.

 

Die FH CAMPUS 02 ist auch für ihren praxisbezogenen Unterricht bekannt. Wie musste man damit verfahren?

Erfreulicherweise haben wir hier kaum einen Abbruch gehabt. Nach dem ersten Lockdown war es für viele schwierig, die damals frisch in ihr Berufspraktikum eingestiegen sind. Im Herbstsemester gab es einige Unternehmen, die zurückgeschreckt sind und ihre Angebote zurückgenommen haben. Jetzt ist es zum Glück wieder sehr gut möglich Berufspraktika anzubieten. In den meisten Fällen haben die Unternehmen Arbeit für Praktikant*innen. Es ist nur auch dort nicht unter normalen Umständen möglich und daher machen viele ein Praktikum im Home Office.

 

Die Pandemie stellt auch die Studierenden vor große Herausforderungen, vor allem wenn es um die mentale Gesundheit geht. Wie geht man damit um?

Die schon bestehenden Angebote einer psychischen Unterstützung, die wir seit Jahren mit der ÖH betreiben, werden derzeit besonders in Anspruch genommen. Wir merken auch, dass sich Studierende zunehmend an uns wenden. Sie melden sich in den Studiengängen und schildern ihre Probleme. Auf der einen Seite waren das teilweise „nur“ technische Probleme, aber zunehmend auch sehr persönliche. Besonders schlimm war es vor allem für jene Studierende, die wirklich alleine wohnen. Sonst schätzt man einen Rückzugsort nur für sich, aber diesmal war es eher wie ein Gefängnis, aus dem sie nur schwer ausbrechen konnten. Solche Gespräche mit Studierenden haben auch uns sehr betroffen gemacht, weil wir sie natürlich gerne zu uns eingeladen hätten, aber das nicht möglich war. Schwierig ist es natürlich auch bei den jungen Semestern, deren Gruppe vor dem Lockdown noch nicht so gefestigt war.

 

Was kann man aus dieser Zeit für die Zukunft mitnehmen?

Auch wenn wir uns nach der „alten Normalität“ zurücksehen, werden wir nicht alles vergessen, was wir gelernt haben. Die Technologie soll uns weiterhin in der Lehre und im Unterricht unterstützen. Es wird eine neue Normalität geben und wir werden das Lehrveranstaltungsangebot insgesamt um 20-30% in den virtuellen Raum verlagern. Das heißt, dass man nicht jedes Wochenende hier vor Ort in Präsenz da sein muss. Der zweite große Punkt ist, dass wir uns auch vorgenommen haben in organisatorischen Bereichen die Digitalisierung schneller voranzutreiben. Als erste Hochschule in Österreich arbeiten wir am Plan eines elektronischen Studierendenausweises.

 

Wann kann man wieder mit dem Normalunterricht starten, sofern es eine Rückkehr zu „normal“ geben kann?

Das Sommersemester kann man nicht unter „normal“ einstufen. Wir werden im Mai versuchen langsame Öffnungsschritte zu setzen, beispielsweise durch Prüfungen oder Kleingruppenunterricht vor Ort. Ich stelle aber nicht in Aussicht, dass es bis zum Ende dieses Semesters möglich sein wird, wieder normal an die FH zu kommen. Selbst der Herbst wird fraglich. Wir glauben einfach noch nicht, dass der Anfang des nächsten Studienjahres so sein wird, dass wir wirklich Schulter an Schulter zusammen in einem Hörsaal sitzen können. Die weitere große Frage, die wir derzeit noch nicht beantworten können, ist: Wie geht man mit Leuten um, die geimpft sind? Wie mit jenen, die nicht geimpft sind? Aber vor allem mit den Leuten, die sich gar nicht impfen lassen wollen oder können. Es wird noch eine große Herausforderung werden, den Unterricht dann für alle bestmöglich zu gestalten.