zwei Personen unterhalten sich über "Brand Forgiveness"

Wie entsteht Brand Forgiveness? 

Durch den Aufstieg der sozialen Medien erhielten Konsument*innen viele Möglichkeiten, ihre Ungunst gegenüber Marken zu äußern. Dies führt zu weilen zu öffentlich kommuniziertem Brand Hate, insbesondere wenn Unternehmen nicht angemessen reagieren. Jüngste Beispiele wären etwa die öffentliche Empörung nach der kontroversen Kampagne der Modemarke Balenciaga oder nach dem PepsiCo-Werbespot mit Kendall Jenner. Im Rahmen seines Forschungsbereichs untersuchte René Kerschbaumer vom Department Marketing & Sales der Fachhochschule CAMPUS 02 mittels zweier Studien, welche Rolle Markenbindung und Unternehmensreaktion für Brand Forgiveness spielen.  

Der Aufstieg des Web 2.0 und die Etablierung sozialer Medien in den Alltag gab Konsument*innen die Möglichkeit, nicht nur direkt mit Marken zu kommunizieren, sondern auch Einfluss darauf zu nehmen, wie Marken ihre Geschäfte führen. Diese Entwicklung hat u.a. dazu geführt, dass öffentlich zur Schau gestellter Brand Hate zu einer wesentliche Bedrohung für Marken wurde. Während sich manche Konsument*innen einfach von einer Marke abwenden (Markenboykott), legen andere zuweilen sogar markenfeindliches Verhalten (negative Word-of-Mouth) an den Tag. Für Unternehmen wird es zunehmend wichtig, die Hintergründe zu verstehen und herauszufinden, warum Konsument*innen so reagieren, wie sie es tun. Hierbei gilt es, Krisen rechtzeitig abzuwenden, im Krisenfall angemessen zu kommunizieren und letztlich Brand Forgiveness zu erzeugen, um Beziehungen wieder herzustellen. 

Konsument*innen mit starker Markenbeziehung erleben negative markenbezogene Emotionen zwar stärker, sind aber auch eher bereit, zu verzeihen – v.a., weil sie ihre Markenbindung (ihr Brand Attachment) als schützenswerte Investition betrachten. Dementsprechend stellt sich die Frage, welche Rolle individuellem Brand Attachment als Einflussfaktor auf Brand Forgiveness zukommt. Darüber hinaus gilt es, zu klären, welche Rolle die unternehmensseitige Krisenkommunikation spielt, zumal Konsument*innen nie das Gefühl bekommen sollten, ihr Anliegen würde nicht ernst genommen. Vor diesem Hintergrund wurden am Department Marketing & Sales zwei Studien durchgeführt, welche die Rolle von Markenbeziehung und Unternehmensreaktion für Brand Forgiveness im Falle einer Markenkrise adressierten. 

Studie 1 

Zunächst wurden die Online-Studienteilnehmer*innen in vier Gruppen von Markenbeziehungen zugeteilt und anschließend mit der Beschreibung einer hypothetischen, auf unethischen Geschäftspraktiken basierenden Markenkrise konfrontiert. Anschließend sahen die Teilnehmer*innen fünf verschiedenen fiktive Szenarien der Unternehmensreaktion (Leugnung, Angriff, Entschuldigung, Besorgnis, Verantwortungsübernahme). 

Anhand einer Varianzanalyse konnte gezeigt werden, dass die Stärke der Markenbeziehung keine Rolle spielt, wenn das Unternehmen positiv (d.h. mit Besorgnis oder Verantwortungsübernahme) reagiert. Reagiert das Unternehmen jedoch mit Leugnung, Angriff oder Entschuldigung, so übt eine bestehende positive Markenbeziehung dennoch positiven Einfluss auf Brand Forgiveness aus.  

Studie 2 

Die ersten Ergebnisse führten zur Konzeption einer weiteren Studie, wobei der Fokus auf Brand Attachment zu einer speziellen, allgemein bekannten Marke im Bereich der Unterhaltungselektronik gelegt wurde. Die Teilnehmer*innen wurden mit einer hypothetischen Markenkrise sowie mit einer von drei Unternehmensreaktionen (Leugnung, Verantwortungsübernahme und ein Kontrollszenario ohne Reaktion) konfrontiert. 

Anhand einer Regressionsanalyse konnte zunächst ein signifikanter Einfluss von Brand Attachment auf Brand Forgiveness in allen drei Szenarien gezeigt werden. In weiterer Folge wurden die Daten in drei Gruppen nach dem Grad des Brand Attachments geteilt, um den Einfluss von Unternehmensreaktion auf Brand Forgiveness je Gruppe zu testen. Für die Gruppe mit geringem Brand Attachment zeigte eine Varianzanalyse signifikante Unterschiede in Brand Forgiveness in Abhängigkeit der Unternehmensreaktion 

Es zeigten sich jedoch keine signifikanten Unterschiede in den Gruppen mit mittlerem und hohem Brand Attachment. Folglich spielt die Art der Antwortstrategie des Unternehmens keine außergewöhnliche Rolle, wenn die Verbraucher eine mittlere bis hohe Bindung zu einer Marke haben. 

Brand Forgiveness_Darstellung_im_Diagramm

Schlussfolgerung 

Die beiden Studien stellen einen ersten Schritt zum Verständnis des Zusammenspiels von Brand Attachment, Unternehmensreaktion und Brand Forgiveness dar. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl das individuelle Brand Attachment als auch die Reaktionsstrategien des Unternehmens eine wesentliche Rolle für Brand Forgiveness spielen. Unternehmensreaktionen sind jedoch in erster Linie relevant für Konsument*innen mit niedrigem Brand Attachment. Gruppen mit mittlerem bis hohem Brand Attachment zeigen ein Ausmaß an Brand Forgiveness, welches unabhängig von der Unternehmensreaktion ist. 

Dementsprechend sollten Unternehmen die Markenbindung ihrer Konsument*innen fördern, da Gruppen mit mittlerer bis hoher Markenbindung bereit sind, selbst im Falle negativer Unternehmensreaktionen zu verzeihen. Jedoch sollten Unternehmen sich ebenso darauf konzentrieren, die Verantwortung im Falle von Markenverstößen zu übernehmen, da diese Art der Unternehmensreaktion das Niveau der Markenvergebung bei Kunden mit geringer Markenbindung erhöht. 

 

(Anmerkung: Dieser Artikel basiert auf der Bachelorarbeit von Frau Barbara Upelj, M.M., B.A., Absolventin des Bachelorstudiums Marketing & Sales der Fachhochschule CAMPUS 02, welche als Ausgangsbasis für Studie 2 diente.)