Nachhaltigkeit im Sinne der SDGs hat viele Teilaspekte. Eine gesunde Wirtschaft ist einer davon. Doch muss sie wachsen? Und widerspricht dies ökologischen und sozialen Prinzipien?
Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum – müssen wir uns entscheiden? Überwiegend dagegen stimmten die Studierenden, Lehrenden und Wirtschaftstreibenden zu Beginn der Earth Talks Styria im Rahmen der Green Days 2025.
Fishbowl-Format – Teil der Expert*innenrunde sein

Das Fishbowl-Format eignet sich ideal, um Publikum und Expert*innen gleichberechtigt in den Austausch einzubinden. Im Innenkreis („Fishbowl“) diskutieren zunächst 3–4 eingeladene Expert*innen zentrale Fragestellungen. Die Expert*innen im inneren Kreis waren der Ökologe Andreas Exner von der Uni Graz, der Geschäftsführer der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (SFG) Christoph Ludwig, Green Tech Valley Cluster Projektleiter Markus Simbürger und die Lehrende der FH CAMPUS 02 Doris Carini.
Zwei weitere Stühle bleiben frei. Das Publikum sitzt im Außenkreis und kann sich durch Besetzen eines freien Stuhls zeitlich begrenzt aktiv in die Diskussion einbringen. Eine Person strukturiert die Diskussion, achtet auf Ausgewogenheit und Zeitrahmen. In unserem Fall hat diese Rolle Elisabeth Obermann von oikos Graz souverän übernommen. Sie gab den Teilnehmenden ausreichend Redezeit, stellte im richtigen Moment Fragen und fasste Gesagtes zusammen.

Diese Ideen wurden in der Fishbowl-Diskussion am 27. Mai in der Aula der FH CAMPUS 02 im Rahmen der Earth Talks Styria ausgetauscht (ausgetragen von den steirischen Hochschulen, Sustainability4U).
Ablauf einer Fishbowl-Diskussion:
1. Impulsphase:
Expert*innen geben kurze Beiträge zu vorbereiteten Fragen. Bei uns wurden die Standpunkte zu Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum abgefragt: So argumentierte Christoph Ludwig, dass Geld gebraucht werde, um die Kosten zu decken und das System ohne Wirtschaftswachstum nicht zukunftsfähig sei. Doris Carini brachte den Aspekt der Werte und das Zitat von Paul Polman “Is the world better because your business is in it?” in die Diskussion ein. Markus Simböck argumentierte mit Wachstum durch Qualität statt Quantität und Kreislaufwirtschaft, wohingegen Andreas Exner die Post-Nachhaltigkeit mit dem bereits bestehenden Versagen im Bereich Nachhaltigkeit in den Vordergrund stellte, welches grundlegende Änderungen erfordert, die weit über den guten Willen hinausgehen.
2. Diskussionsphase:
Öffnung des Fishbowls – interessierte Zuhörende wechseln bei Bedarf auf die freien Stühle im Innenkreis. In unserer Diskussion wurden folgende Themen besprochen:
- Soziale Innovationen in der Wirtschaft und Gesellschaft durch Sozialformen wie Genossenschaften. In einer Social Economy könnten diese durch einen Fokus auf Mitbestimmung, Bedürfnisorientierung und Solidarität hergestellt werden.
- Technische Innovationen können bestimmte Prozesse effizienter und umweltschonender machen.
- Begrenzte Ressourcen könnten durch Degrowth-Modelle mit mehr Qualität statt Quantität oder Sharing Economy durch das Leihen und die Langlebigkeit und Wiederverwendung von Produkten besser genutzt werden.
- Probleme des Flächenverbrauchs, brachliegender Firmengebäude und der stark fortschreitenden Versiegelung von Flächen könnten durch die Verwendung von bestehenden Flächen und Revitalisierung (“Brownfield-Investments”) sowie Wirtschaftsparks eingeschränkt werden. Zudem sollte das Problem der täglich fortschreitenden Versiegelung in Österreich ernst genommen werden.
- Umstellung des Energiesystems mit Wasserstoff muss sich finanziell lohnen. Mit CO2-Bepreisung ist es jedoch wirtschaftlich herausfordernd wettbewerbsfähig zu bleiben. Systeme müssten geschaffen werden, die nachhaltige Energie günstiger machen.
- Die Werbeindustrie hat eine Verantwortung wegen der psychologischen Bedürfnisschaffung. Sie sollte ihr Wissen einsetzen, um mit den Inner Development Goals (IDGs) sinnvolle Produkte zu schaffen, die ein Umzudenken hin zu einem tatsächlichen Wert des Produkts für die Gesellschaft ermöglichen.
- Nachhaltige Jobs sollen in der Steiermark geschaffen werden. Die Firmen sollten durch Förderungen in die Steiermark gebunden werden, da sie sonst auf Grund von Wettbewerbsfähigkeit andere Standorte wählen würden.
- Es braucht transformative Prozesse. Keine Unternehmensidee lebt über Generationen, ohne sich zu wandeln. Aus verschiedenen Gründen werden sich Unternehmen anpassen müssen.
- Nachhaltigkeit kann auch ein mehr bedeuten: Mehr Pflanzen durch Umweltschutz, mehr Zeit durch kurze Wege (15 Minuten Stadt), mehr Genuss.
3. Abschlussphase:
Am Ende haben die Expert*innen abschließend die Möglichkeit ihre Meinungen zusammenzufassen. Herr Ludwig meint wir müssen uns entscheiden und zieht das Individuum in die Verantwortung. Frau Carini gibt dafür mit: „Actions change belief“ und betont, dass wir es allein nicht schaffen können, sondern auf andere schauen und kooperieren sollten. Herr Exner betont, dass wir uns auf Fragen fokussieren sollten, was Menschen zum Leben brauchen und wie man dies besser organisieren kann und dass uns Debatten über Wirtschaftswachstum nicht weiterbringen. Herr Simbürger schloss mit einem positiven Ausblick, dass wir als Menschheit bereits viele Probleme in der Vergangenheit kreativ gelöst haben und somit nun auch die schwierigen Probleme der Klimakriese und Kriege gemeinsam lösen können.
Final wurden alle Teilnehmenden nochmals mit Mentimeter nach Ihren Erfahrungen befragt, wo Kritik beziehungsweise Zustimmung zu bestimmten Themen vom Publikum angebracht werden konnte.
Das Format fördert Perspektivenvielfalt, aktive Beteiligung und einen respektvollen Austausch auf Augenhöhe. Das haben wir genau so erlebt. Eine Vielzahl an Meinungen und Ideen wurden angesprochen und begegnet. Themen konnten vorrangig angeschnitten und nicht vertieft werden, allerdings war dies auch Ziel der Veranstaltung: Fragen aufzuwerfen, wo noch keine waren, unterschiedliche Perspektiven anderer zu erfahren und sich so aktiv mit der Thematik zu beschäftigen.
Weshalb gibt es die Green Days?
Als Hochschule hat die FH CAMPUS 02 einen großen Hebel für Nachhaltigkeit. Indem Studiereden dort nachhaltige Denk- und Handlungsweisen erlernen, tragen sie diese in ihren Fach- und Führungspositionen unmittelbar in die regionale Wirtschaft und sind damit Multiplikator*innen für Nachhaltigkeit. Neben der herkömmlichen Lehre zu nachhaltigen Themen sollen mit den Green Days Handlungsanreize für Studierende und Mitarbeitende gesetzt werden, nachhaltige Alternativen zu erleben und auszuprobieren.
Bewusst konsumieren – Buffet mal anders
So gab es ein viel gelobtes Buffet im Anschluss der Earth Talks Styria, welches ausschließlich vegan und vegetarische Produkte wie Brötchen mit Gemüse und Pesto anbot und zum Verweilen einlud. Die Teilnehmenden blieben im Anschluss lange im Gespräch und das trotz alkoholfreiem Angebot!

Alkoholismus – ein soziales Problem: Verantwortung Zeigen Engagementtage – Caritas Aloisianum
Am nächsten Tag besuchte eine kleine Gruppe der FH CAMPUS 02 das Caritas Aloisianum, ein Langzeitbetreuungsangebot für Menschen mit Alkoholsucht. In der schönen Wohngruppe finden Betroffene hier einen sicheren Ort, um mit engagierten Therapeut*innen sowie Betreuer*innen ihre Probleme hinter der Sucht zu bearbeiten, Informationen über die Thematik zu erhalten und alternative Verhaltensweisen einzuüben. Mitarbeitende der FH CAMPUS 02 haben dort Bewohner*innen einen freien Morgen vom Küchendienst ermöglicht und für alle gekocht. Dabei wurde sich mit Angestellten und Bewohner*innen über das Thema und dessen Brisanz in der Gesellschaft unterhalten. Alkohol, dessen regelmäßiger Konsum weder gesundheitlich noch wirtschaftlich unbedenklich ist, ist überall präsent. Eine gleichwertige alkoholfreie Alternative beispielsweise bei Feiern, im besten Fall als erste Option, anzubieten würde das Thema bereits für viele Personen einfacher machen und aktiv begegnen.

Im Netzwerk Verantwortung Zeigen vernetzt sich die FH CAMPUS 02 mit anderen sozialen Organisationen und Unternehmen. In der Auftaktveranstaltung der Engagementtage gab es eine Austauschmöglichkeit für die Teilnehmer*innen der sozialen Aktionen in der Steiermark.
Reparieren statt Wegschmeißen

Ein weiteres großes Event der Green Days war der AT Repair Day. Dort brachten Angehörige der FH CAMPUS 02 defekte Geräte in die Labore des Departments Automatisierungstechnik und tüftelten gemeinsam mit Mitarbeitenden der Automatisierungstechnik an der Reparatur. Was dabei auffiel: Trotz EU-Regulierungen sind günstige Geräte noch immer sehr schwer zu reparieren. Wenn möglich empfiehlt sich hier beim Erstkauf auf Qualität zu setzen. Hochwertige Geräte können häufig einfacher repariert werden, da bereits bei der Konstruktion auf Reparierbarkeit geachtet wird.
Kleidung – Wiederverwenden und Weitergeben
„Seitdem ich den Kleidertausch bei euch im letzten Jahr gemacht habe, habe ich es in Erwägung gezogen, gebrauchte Kleidung zu tragen und seither kaufe ich auch Second Hand“ – Lehrende der FH CAMPUS 02

Gemeinsam mit der Studierendenorganisation oikos Graz organisierten wir zum zweiten Mal einen Kleidertausch, bei dem ca. 100 Teilnehmende der FH CAMPUS 02 sowie Studierende anderer Hochschulen oder Bürger*innen ihren Weg in CZ 138 an den CAMPUS fanden. Neben schmackhaftem Selbstgebackenen wurden viele Kleidungsstücke mitgebracht und mitgenommen.
Auch im nächsten Jahr werden die Green Days wieder an der FH CAMPUS 02 in der Woche vor Christi Himmelfahrt stattfinden. Wir freuen uns, wenn ihr beim nächsten Mal neue nachhaltige Handlungsweisen bei uns an der FH CAMPUS 02 erleben könnt!
Veranstaltungsausblick
Am 24. Juni findet der Nachhaltigkeitstag der WKO Steiermark 2025 statt mit einem Mix aus Keynotes, Workshops und Ausstellungen mit vielen Informationen und Tipps für den Unternehmensalltag: Melden Sie sich hier an.