One step closer: Projektarbeit versus Prüfung

Autor: Jürgen Wieser

Eine Frage hat mich in meiner 10-jährigen Lehrtätigkeit an der FH CAMPUS 02 ständig begleitet: Welche wichtigen Kompetenzen sollen meine Studierenden nach Absolvierung meiner Lehrveranstaltung wirklich besitzen? Was brauchen sie, um im realen Business voranzukommen und zielorientierte Lösungen in Marketing & Sales zu liefern? Eine Schwachstelle (wir nennen sie im Business-Kontext Pain Points) beobachten wir seit 2009, dem Gründungsjahr unserer Firma Limbio Business, in allen Branchen und allen Hierarchiestufen von Unternehmen, egal ob KMU oder Milliardenkonzern. Es ist der Mangel an Präsentationskompetenz. Häufig sehen wir dabei die Angst vor Anderen zu sprechen, fehlenden strategischen Aufbau der Inhalte und einen groben Mangel an emotionaler Relevanz aus Kundensicht. Der Leidensdruck in der Wirtschaft ist dabei jedenfalls sehr groß. Die negativen Konsequenzen sind Auftragsverluste, schwache closing rates oder geringe Effekte der Neukund*innengewinnung.

Um hier einen zukünftigen und nachhaltigen Beitrag zu liefern, entwickelte ich die Idee, statt der klassischen Prüfung eine Gruppenarbeit in Form eines realen Business Cases in den Unterricht zu implementieren. Dank Unterstützung von Eva Koban-Röss wurde es möglich, diese Idee in die Praxis umzusetzen. Im SS 2023 war der Startschuss zu dieser für mich neuen Leistungsbeurteilung. Ich bin derzeit noch mitten in der Korrekturphase. Die Aufgabenstellung in 4-er oder -5-er Gruppen (Zuordnung nach Wunsch der Studierenden) lautet folgendermaßen: Suchen Sie sich ein Produkt oder eine Dienstleistung nach freier Wahl und gestalten Sie eine limbische Präsentation mit dem Ziel, dass diese zielorientiert und überzeugend auf das Zielpublikum wirkt. Kurz gesagt: Die Präsentation muss verkaufen!

Die Ausarbeitung umfasst folgende 4 Kernbereiche:

  1. Videoerstellung einer 5 Minuten Präsentation [eine Person aus der Gruppe präsentiert]
  2. 180 Sekunden Präsentation [mit einer Powerpoint-Folienvorlage werden die Highlights der Präsentation visuell dargestellt und der gesprochene Text in den Notizenseiten geschrieben. Dient der Fokussierung auf das Wesentliche.]
  3. Erarbeitung von 3 Motion Points [Überzeugungstreiber]
  4. 2-seitiges Handout mit Quellenangabe [Hintergründe, Strategien und wissenschaftliche Erkenntnisse]

Folgende Erfahrungen konnte ich im ersten Jahr dieser Umstellung machen:

  • Obwohl es keine klassische Prüfung mehr gab, war die Aufmerksamkeit und das Interesse am Thema „Neuromarketing“ durch alle Lehreinheiten sehr hoch.
  • Die Studierenden (sowohl Vollzeit, als auch berufsbegleitend) taten sich allerdings sehr schwer bei der Realisierung des Videos. Dies hat mich überrascht, da es sich ja um eine Zielgruppe handelt, die mit Instagram, Facebook & Co, also audiovisuell, sehr affin ist.
  • Den Studierenden war das Angebot vom ZHD mit der Studiomöglichkeit zu wenig bekannt (an sich nicht verwunderlich, handelt es sich dabei ja primär um ein Service für Lehrende).
  • Das Feedback zur Projektarbeit wurde in folgenden Bereichen positiv gesehen: „Interessante Themenstellung“, „neue Inputs in Gruppenarbeit umsetzen und voneinander lernen“, „heraus aus dem Tunnelblick“ und „die Arbeit hat Spaß gemacht“.
  • Das Feedback zur Projektarbeit wurde in folgenden Bereichen negativ gesehen: „die Projektbeschreibung noch deutlicher formulieren und in einem Dokument darstellen“ (Vorschlag: Videoanleitung), die technische Umsetzung des Videos wurde als schwierig gesehen, ebenso die Gruppenkoordination (vor allem bei berufsbegleitend Studierenden).

Spannend war für mich auch das Feedback einiger Studierenden, dass es ihnen leichter falle, eine Einzelarbeit abzugeben, als in der Gruppe eine Projektarbeit zu erstellen. Dieser Wunsch schmerzt mich etwas, da ich weiß, wie wichtig es ist, im realen Wirtschaftsleben in Teams zu agieren und gemeinsame Erfolg zu erleben.

Von links nach rechts: Christina Bergler, Florina Schöttel, Ylvi-Luzia Glawogger, Verena Mautner

Titel: Limbische Produktpräsentation Filterbaby

ÜBER DEN AUTOR

Jürgen Wieser ist CEO der Limbio Group und nebenberuflich Lehrender am Department „Marketing & Sales“. Er gibt seine Erfahrungen aus dem Portfolio seiner über 200 Kunden in den DACH-Staaten an Studierende in der LV „Neuromarketing“ im 2. Semester weiter. Im Fokus stehen dabei Ergebnisse eigener Hirnscan-Projekte für Marken und Konzerne, die er regelmäßig an der Christian Doppler Klinik in Salzburg durchführt.

Die Limbio Group mit Sitz in Kapfenberg ist im Hirnscan Marketing, Neuro Learning, Limbisch Präsentieren und Neuro Recruiting im DACH-Raum tätig.

www.limbiogroup.at

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